Gut ein Viertel aller Männer und 3% aller Frauen auf der Welt erleiden im Laufe des Lebens einen Leisten- oder Bauchwandbruch. Dann muss nahezu immer operiert werden. Aber: Was in Deutschland selbstverständlich ist, bleibt vielen Menschen in anderen Teilen der Welt verwehrt – etwa, weil OPs unbezahlbar sind oder Kliniken bzw. ausgebildete Chirurgen fehlen. Dr. Wolfgang Reinpold hilft: Schon zum 16. Mal hat er sich Ende 2023 auf „Hernienmission“ begeben. In Paraguay hat er 55 mittellose Patienten kostenfrei operiert und einheimische Chirurgen geschult.
Derlis Hernandez aus Santa Rosa de Aguaray und seine achtköpfige leben von der Landwirtschaft. Doch die letzten zwei Jahre war der 53-Jährige aufgrund eines Leistenbruchs nicht mehr arbeitsfähig und die Familie in großer wirtschaftlicher Not. Der Patient litt unter starken Schmerzen, seine Hernie war bereits handballgroß. „Als wir ihn untersuchten, war der Bruch schon eingeklemmt. Das ist immer ein Notfall, der sofort operiert werden musste“, betont Dr. Reinpold, der Hernandez während seiner jüngsten Hernienmission unentgeltlich behandelt hat.
Notfall Einklemmung: Ohne Behandlung droht Lebensgefahr
Bei Leisten- und Bauchwandbrüchen handelt es sich um krankhafte Löcher in der Bauchwand. Gleiten Eingeweide hindurch, kann es zur lebensgefährlichen Darmeinklemmung kommen. Entsprechend schnell muss operiert werden, was aber nicht überall auf der Welt gewährleistet ist.
Dr. Reinpold kennt dramatische Beispiele von insgesamt 16 Hernienmissionen nach Afrika, Lateinamerika und China. 2023 zog es ihn zum wiederholten Mal nach Paraguay – eines der ärmsten Länder Südamerikas. Zwar existiert hier ein staatliches Gesundheitssystem, aber gerade ländlichen Regionen sind Kliniken und auf Hernienchirurgie spezialisierte Mediziner kaum zu finden. Darüber hinaus müssen Patienten viele Medizinprodukte privat bezahlen. Dr. Reinpold: „Ein unverzichtbares Herniennetz kostet in Paraguay rund 100 US-Dollar – das ist für einen Großteil der ländlichen Bevölkerung nicht denkbar.“
In der Folge leben viele Betroffene über Jahre mit unbehandelten Hernien. Diese können im Laufe der Zeit sehr groß werden und starke Beschwerden verursachen. Körperliche Arbeit ist einigen Patienten nicht mehr möglich, sodass die weitere Verarmung ganzer Familien droht.
Dr. Reinpold assistiert während eines Trainingskurses bei einer Lichtenstein Operation
„Ich habe mein Leben zurückerhalten“: Alle Patienten sind wieder wohlauf
Die Geschichte von Derlis Hernandez ist also leider eine von vielen. Insgesamt haben Dr. Reinpold und sein paraguayischer Fachkollege Prof. Dr. Osmar Cuenca Torres 2023 innerhalb von vier Tagen 55 mittellose Menschen operiert. Einige hatten mehrere Brüche, sodass insgesamt 78 Hernien behoben wurden. Die meisten Patienten kamen aus dem ländlichen Department San Pedro, eine der ärmsten Regionen im Norden des Landes. Wie Derlis Hernandez waren zahlreiche Patienten aufgrund der Dimension ihrer Hernie sowie der Beschwerden nicht mehr arbeitsfähig. Bei 15 Menschen war der Bruch eingeklemmt; in drei Fällen war der eingeklemmte Darm bereits durchblutungsgestört. Dr. Reinpold zieht Bilanz: „Zum Glück konnten wir den Darm in allen Fällen rechtzeitig befreien und retten. Eine Darmentfernung war bei keinem Patienten nötig.“
Derlis Hernandez kann mittlerweile wieder arbeiten. „Durch die Hernienoperation habe ich mein Leben zurückerhalten“, sagt er heute. Auch die weiteren Patienten haben sich gut von der OP erholt. „Es sind keine nennenswerten postoperativen Komplikationen aufgetreten. Die Nachbetreuung der Patienten wurde von Prof. Cuenca und Team professionell übernommen“, freut sich Dr. Reinpold.
Dr. Reinpold (4. v. r.) und Prof. Cuenca (5. v. r.) mit angehenden Chirurginnen und Chirurgen nach dem absolvierten Trainingskurs
Nachhaltige Hilfe: Gesundheitsministerin bedankt sich persönlich
Neben der Soforthilfe für Patienten in Not setzt das Projekt auf nachhaltige Unterstützung. Im Rahmen der 55 Eingriffe wurden daher junge paraguayische Chirurgen sowie OP-Pflegekräfte in modernen Techniken der Leisten- und Bauchwandchirurgie geschult. Auch die von Dr. Reinpold entwickelte MILOS Operation kam dabei zur Anwendung. Darüber hinaus gab es einen Tagesworkshop zur Lichtenstein-OP – aktuell weltweit die wichtigste offene Leistenbruchoperationstechnik.
Dieses Engagement würdigte auch die paraguayische Regierung: Gesundheitsministerin Maria Teresa Barán Wasilchuk besuchte Reinpold und Team im Militärkrankenhaus von Asunción und bedankte sich persönlich.
Dr. Reinpold (4. v. r.) und Prof. Cuenca (5. v. r.) mit angehenden Chirurginnen und Chirurgen nach dem absolvierten Trainingskurs
Dr. Reinpold dankt Unterstützerinnen und Unterstützern
Dr. Reinpold selbst bedankt sich ebenfalls für eine weitere erfolgreiche Hernienmission. Denn das Projekt wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Privatpersonen und Unternehmen nicht möglich. „Die benötigten Medizinprodukte wie chirurgische Instrumente, Naht- und Verbandsmaterial sowie Medikamente haben wir aus Spendengeldern aus Hamburg und dem Umland finanziert.“ Die Kunststoffnetze wurden von den deutschen Firmen GFE Dynamesh (Aachen) und PFM (Köln) gespendet.
Wie bei allen bisherigen Hernienmissionen nahm Dr. Reinpold auch in diesem Fall Urlaub und zahlte seine Reisekosten privat. Schirmherrin der humanitären Hernienmissionen ist die US-amerikanische Hilfsorganisation Hernia Repair for the Underserved (HRFU) statt, deren Vorstandsmitglied Reinpold ist.
- Hier finden Sie weitere Informationen zum Behandlungsprozess im Hamburger Hernien Centrum
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